Sophia - 21.10.2022: Manufaktur, Schorndorf (DE)

Review
Der Mann der vielen Formationen
In den unterschiedlichsten Zusammensetzungen hat der frühere God-Machine-Sänger Robin Proper-Sheppard schon Konzerte in der Region gespielt. Diesmal kam er mit einer siebenköpfigen Band nach Schorndorf.
Angeboten hat er uns schon einiges, der Wahllondoner aus San Diego. Im Jahr 2004 gastierte er mit einem Streichquartett in der – damals bis unters Dach ausverkauften – Schorndorfer Manufaktur, 2010 trat er dort Solo – seinerzeit bestuhlt – mit einem Wunschkonzertabend auf, 2016 dann mit einer kleinen Band. Am Freitagabend nun kam der Songwriter Robin Proper-Sheppard in einer für Singer-/Songwriter eher ungewöhnlichen Besetzung in die ordentlich gefüllte, aber bei weitem nicht volle Manufaktur: nämlich mit einer sechsköpfigen Begleitband.
Heute so, morgen so
Die Aufstellungswechsel zeigen bereits, dass die Musik seiner Band Sophia alles sein kann: von den reduziertesten Soloskizzen bis zum vollgasdröhnenden Ensembleklang. Und so gab es denn am Freitag auch von allem ein bisschen. Teils an drei Gitarren, einer Rhythmussektion aus Bass und Schlagzeug sowie im Hintergrund mit mal Pedal-Steel, mal Tenorsaxofon, mal Elektronik machten die sieben Herren jede Menge Dampf, was in einem äußerst druckvollem Sound mündete, bisweilen aber schon hart an der Grenze zur Überinstrumentierung vorbeischrammend. Erst im weiteren Verlauf des Konzerts ging es etwas reduzierter zu, ehe Proper-Sheppard dann in der von einem außergewöhnlich frenetischen Publikum eingeforderten zweiten Zugabe schließlich ganz bei sich selbst war. Das wunderschöne Stück „Dreaming“ vom fünften der bisher sieben Alben, „There are no Goodbyes“, spielte er da. Und bei aller Freude am zuvor gezeigten: feiner als hier klang seine Gitarre, auf der er wie kaum ein anderer die Kunst beherrscht, Akkorde bis zum Zerbröseln zu brechen, den ganzen Abend über nicht.
Letztlich bleibt’s also wohl Geschmackssache, welchem Sophia-Klang man den Vorzug gibt, dem orchestralen oder dem kondensierten. Teils gut, teils sehr gut, teils richtig toll klingen Proper-Sheppards Stücke nach wie vor. Inhaltlich moribund-melancholisch, musikalisch fein in Intensität und Metrum variiert, vom originell verschleppten kargen Gitarrensound bis zur fast schon vollen Big-Band-Dosis – die ganze Bandbreite popmusikalischer Ausprägungen hat Sophia geboten, und allein dafür hat sich der Besuch dieses in der Summe sehr schönen Konzerts schon gelohnt.
Ungewollter Rekord
Sage und schreibe vier Mal musste der Auftritt coronabedingt übrigens verschoben werden, auch für die Manufaktur ein Rekord, der vermutlich leider auch zur Folge hat, dass manch einer, der sich vor zweieinhalb Jahren ein Ticket gekauft hat oder sich eins kaufen wollte, am Freitagabend nun doch nicht dabei war – auch das ist sicherlich ein Punkt, an dem alle Beteiligten des Showgeschäfts derzeit zu knabbern haben. Sichtlich zufrieden zeigte sich Robin Proper-Sheppard daher, nun endlich auf der Bühne jener Einrichtung zu stehen, der er seit nun zwanzig Jahren die Treue hält. Nicht nur weil derlei Ausdauer und Verbundenheit heutzutage rar geworden sind, darf man dem nächsten Auftritt, wann und in welcher Formation auch immer, höchst erfreut entgegenblicken.
Jan Ulrich Welke, 22.10.2022, www.esslinger-zeitung.de


Photo by Kalle Schlipkowitz