Sophia - Jan. 26 '07: Fritzclub im Postbahnhof, Berlin (DE), with Malcolm Middleton

Set list
I left you
Swept back
If only
Where are you now
Pace
Oh my love
Everyday
Woman
P1/P2
Lost
Bad man
Ship in the sand
The Sea
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Birds
So slow
Desert song no. 2
The river song


Review 1
Sind wir doch ehrlich: ab und zu suhlen wir uns doch alle ganz gern in gepflegter Traurigkeit.
Dann sitzen wir mit tiefsinniger Denkerstirn da, schwenken den klaren Whiskey im Glas hin und her, seufzen das eine oder andere Mal vor uns hin… und sind einfach traurig.
Wer bislang noch den passenden, unterlegenden Soundtrack suchte, dem sei hiermit jemand empfohlen, der das Gefühl des Trübsinns erfunden haben könnte.
Sein Name ist Robin Proper-Sheppard. Besser bekannt als die Band Sophia.
Da mag man stutzen.
Sophia?
Gehen wir davon aus, dass er den Namen der griechischen Übersetzung wegen wählte. Denn Sophia bedeutet Weisheit und wenn Mister Proper-Sheppard die Bühne betritt, wie er es gestern, Freitag den 26. Januar 2007, im Postbahnhof tat, und dann Songs mit einem eindringlichen Schwermut versprüht, die Textzeilen beinhalten, wie „god I hate this place, when you see the sun it just reminds me of the rain“, dann bekommt man eine Ahnung, dass dieser Mann die geballte Weisheit der Melancholie gepachtet haben mag.
Meine Lebenskumpanin sagt: Melancholie ist das schöne Traurigsein.
Und genau das begleitete den geneigten Zuschauer gestern Abend. Von Beginn an bis zum Schluss.
Robin Proper-Sheppard ist nicht jemand, den man aufgrund seiner desillusionierten, traurigen Texte in den Arm nehmen möchte. Vielmehr möchte man sich dazustellen. Und seinem verdüsterten Schwermut Ausdruck verleihen.
Und betrachtet man ihn auf der Bühne, wie er mit geschlossenen Augen und Akustikgitarre dasteht, dann mag man kaum glauben, dass er einst in der Rockband „The God Machine“ harten Metalrock fabrizierte. Bis sein Bandkollege plötzlich und unerwartet an einem Gehirntumor verstarb.
Und so zog es ihn aus seiner sonnigen Kalifornienheimat San Diego fort ins kalte, regnerische London, er nannte seine kleine Tochter Hope und singt seitdem mit Intensität von seinem immer fortwährenden Weltschmerz.
Dennoch war es kein Kitschabend. Keine Musik, bei der man sich in verlorener Zweisamkeit in den Armen liegen kann. Denn wenn Mister Sheppard mit bitteren Worten von Verflossenen, von Tod und Depressionen singt, dann ist für Aneinanderschmiegen kein Platz. Dann möchte man allein sein. Und seinen Gedanken nachhängen.
Vergeblich wartete ich auf „Holidays are nice“, einem seiner wohl positivsten Werke.
Doch egal, ob man es zwischen Songs, die Zeilen enthielten wie „but death comes so slow, when you’re waiting to be taken“ oder „Life’s a bitch and then you die“ gepackt hätte, es hätte wohl stets ein wenig fehl am Platze gewirkt.
Nach guten zwei Stunden, die auch durch den einen oder anderen rockig angehauchten Song durchweht wurden, fühlte man sich gesättigt von den Klängen, die die ernüchterten Widrigkeiten des Lebens wiedergaben.
Und dennoch: Das kleine Gefühl der glücklichen Traurigkeit blieb.
Kathi, www.berlincityblues.com

Review 2
Theatralische Wucht und trostreiche Melodien
Mal ehrlich: Zeilen wie „Frau, du bist eine Hure, aber wenigstens bist du eine glückliche Hure“ würde man keiner Band aus Deutschland durchgehen lassen. Aber auf Englisch, eingebettet in ein grandioses Bombastrock-Panorama, ist die grimmige Abrechnungsmoritat „Woman“ ziemlich ergreifend. Wie fast alles, was Sophia an diesem Abend im Postbahnhof spielen. Sophia ist das Bandprojekt von Robin Proper-Sheppard, einem mit Mitte 30 noch jugendlich wirkenden Kalifornier. Seine fünf Begleiter bleiben im Hintergrund, erledigen ihren Job aber mit Bravour. Ohne die theatralische Wucht dieses Zwei-Gitarren-Keyboard-Bass-Schlagzeug-Aggregats wäreProper-Sheppard nur ein wehleidiger Gitarrenbarde mit schöner Stimme. So aber schreitet er majestätisch über den dickflorigen, psychedelisch ornamentierten Klangteppich, breitet die trostreichen Melodien seiner dunkel glimmenden, zwischen zarter Lautmalerei und brachialem Noise oszillierenden Songs aus. Das Beste kommt am Schluss: „The River Song“ mündet in einem fantastischen Vier-Gitarren-Malstrom, den der Drummer, sich wie ein Olympionike in Posen werfend, von seinem Schlagzeugthron dirigiert. Die Band wird zur kinetischen Lärmskulptur, ein überwältigender Moment.
Jörg Wunder, Der Tagesspiegel

Review 3
Emotional vertonter Weltschmerz live
Dass es höchst emotional und zu Herzen gehend zugehen sollte, war im Vorfeld des Auftritts von ROBIN PROPER-SHEPPARD aka SOPHIA im Berliner Postbahnhof sicherlich allen klar, stehen SOPHIA doch schon seit Jahren für in wunderschön melodischen, oftmals hymnischen Songs verarbeitete seelische Zerrissenheit und das ganz große Gefühl.
Die ihn vor den Aufnahmen zum aktuellen Album Technology Won’t Save Us (CD-Kritik) quälenden Zweifel an seinem künstlerischen Dasein hat er inzwischen ja überwunden, und so betrat nach einem sympathischen Support von ex-Arab Strab Malcolm Middleton ein sichtlich aufgeräumter und durchaus gutgelaunter Frontmann zusammen mit seinen fünf Mitstreitern schwarzbehemdet die Bühne im mit ca. 500 Besuchern reichlich gefüllten kleinen Postbahnhof.
Logischerweise stand die Liveumsetzung der überwiegend gefühlvollen Technology-Songs im Zentrum des Geschehens, und spätestens als der dynamische Indierock-Smash 'Pace' in zwar etwas verschlepptem Tempo und mit etwas zu sehr in den Vordergrund gerückten Backgroundvocals eines der zwei weiteren Gitarristen nach einem bis dahin trotz überwiegend dreifacher Gitarrenbegleitung fast besinnlichen, vor intensiver musikalischer Dichte aber natürlich nur so strotzenden Auftakts etwaige aufkommende Längen lässig beiseite fegte, war man auch live endgültig angekommen bei SOPHIAs so unnachahmlich vertontem Weltschmerz.
ROBIN PROPER-SHEPPARD bestach durch Ausstrahlung und Stimme, ließ neben diversen Thank You’s aber auch nicht wesentlich mehr verlauten als einen anfänglichen Hinweis auf die winterlichen Außentemperaturen oder einen ebensolchen gegen Ende des Auftritts auf die anschließende Fritz-Party und der damit verbundenen Auflage, zum Ende kommen zu müssen, was er trotz einer Spielzeit von insgesamt über 90 Minuten sichtlich bedauerte.
Zuvor gehörten neben zahlreichen, sich größtenteils zum Ende hin voluminös instrumentiert erhebenden Gefühlsepen natürlich auch der in bestechender Version interpretierte Hit 'Oh My Love' vom Vorgängeralbum People Are Like Seasons und das mit trockener Gitarrenvehemenz hymnisch auf den Punkt gezirkelte 'Lost (She Believed In Angels)' vom aktuellen Album zum regulären Set, bevor es später im ausgedehnten Zugabenteil u.a. mit dem wundervollen 'Big City Rot', einem überraschend performten alten Stück ("Probably the first ever Sophia song") und einer abschließenden, nunmehr gar mit vier Gitarren produzierten mehrminütigen Lärmattacke weitere Highlights eines großartigen, emotional berührenden und bewegenden Auftritts gab.
Thomas Stern, www.popmonitor.de, 28.01.2007



Photos by Anne-Kathrin Schröder