Sophia - Jan. 29 '07: Uebel & Gefährlich, Hamburg (DE), with Malcolm Middleton

Set list
I left you
Swept back
If only
Where are you now?
Pace
Oh my love
Everyday
Within without
P1/P2
Lost
Bad Man
Ship in the sand
The sea
---------
Birds
So slow
Desert song no. 2
The river song


Review 1
Vergiss es, Daddy, cool warst du nie
Die kalifornische Band Sophia setzt im Uebel & Gefährlich aus 30 Jahren Popgeschichte ein rätselhaftes Soundmosaik zusammen.
Robin Proper-Sheppard ist ein feingeistiger Mann, das steht ihm ins Gesicht geschrieben. Noch keine vier Zeilen Liedtext hatte er ins Mikrophon gesungen, da unterbrach er sich und seine Band und rief Zaungäste zur Ordnung. "Hier sind zwei Leute", sagte er nicht ohne drohenden Unterton in der schönen Stimme und zeigte mit dem Finger in die erste Reihe, "die wollen sich lieber unterhalten. Das könnt ihr ganz da hinten tun." Fortan hatte der Abend im Uebel & Gefährlich seinen Running gag: Wo immer jemand knapp überm Flüsterton sprach, ertönte ringsum ein höllisch lautes "Pssst!" Proper-Sheppard ignorierte strikt sein Eigentor.
Als beleidigte Leberwurst erwies sich der Kalifornier trotzdem nicht. Der von ihm und seinen fünf Musiker-Kollegen sehr schön inszenierte und mit einer ganz und gar feinen Dramaturgie versehene Abend wird lange in Erinnerung bleiben. Dafür setzte die Band mit dem eigentümlichen Namen Sophia musikalische Versatzstücke aus drei Jahrzehnten zum stets etwas rätselhaften Sound-Mosaik zusammen. Der Zuhörer fühlte sich nicht selten, als säße er im winterlichen Gebirge in einer Holzhütte, drinnen prasselt das Kaminfeuer, doch die Wand gen Hang, sie knarrt und knackt von Zeit zu Zeit. Wäre das Ganze ein Film, folgte nun die Kamerafahrt nach draußen, wo meterhohe Schneemassen zu Tal streben und sich gegen die Hütte stemmen. Oder anders gesagt: Sophias Songs tragen die mögliche Katastrophe in sich, sie wachsen zu Klangwänden, nehmen Tempo auf, erschöpfen sich dann am eigenen Gewicht und kommen gerade noch mal so davon.
Solche Musik würde heute vielleicht Neil Young machen, schleppte er nicht all die Erinnerungen und seine furchtbare Angst vor dem Pop mit sich herum, an dem er schon kläglich scheiterte. Auch Proper-Sheppard steht schon mit einem Bein im Gestern, als er eine süße Anekdote erzählt. Da habe er seine kleine Tochter von der Schule abgeholt, und nicht zum ersten Mal sei ihm eine Mitschülerin entgegengekommen und habe ihm ein kesses "Elvis is entering the building" entgegengerufen. "Wieso eigentlich Elvis?", habe da die Tochter irgendwann gefragt. "Elvis war halt auch ein cooler Typ", sei seine Antwort gewesen. "Doch meine Tochter sagte: Der war niemals cool, und du bist es auch nicht." Das sei halt der eklatante Unterschied zwischen den Generationen: "Die ganz Jungen wissen nicht mehr, wie man Elvis würdigt."
Er hingegen schon: An den King niemals musikalisch erinnern, aber immer in der Attitüde. Was Proper-Sheppard und Sophia am besten im Midtempo gelingt, für schnellere Nummern sind weder er noch seine Musiker geschnitzt. Rasch geschrammelt werden die sonst so filigranen Epen auf einmal zu - tja: Geschrammel. Wenngleich immer noch mit schön öligen Refrains versehen. Und obwohl wir des Sängers opernhaften und deshalb in diesem Umfeld leicht albernen Versuch, für Stille zu sorgen, nicht wirklich goutierten, nerven gegen Ende anderthalb toller Stunden jene Hühner, die nicht einmal drei Minuten lang den Schnabel halten können. Wir geben da mal den Tevje: Wenn ich einmal reich wär', würd' ich mir Sophia in mein Wohnzimmer einladen. Und vorher einen Kamin einbauen und für drei Klafter Brennholz sorgen.
Stefan Krulle, 31.01.2007, Die Welt

Review 2
Schließlich stehe ich aber vor der Bühne im Übel und Gefährlich und lausche der Vorband in Person von Malcolm Middleton. Der Schotte, der ein Jahrzehnt lang als kreativer Kopf bei Arab Strap wirkte, steht gewohnt ernst und scheinbar uninteressiert hinter dem Mikrofon. Seine Songs sprühen dagegen nur so von Hilferufen, Liebeserklärungen und anderen dringenden Mitteilungen. Offensichtlich ist da einiges im Argen hinter Middletons genervt-wirkender Art - was die Mehrheit nach Lautstärke aber leider nicht zu sehen scheint. Laut unterhält man sich und zeigt dem Songwriter auch keinen Respekt, als er sich mit einigen lauteren Parts, auch unterstützt durch ein Schlagzeug, Luft zu schaffen versucht. Schade, auch eine Zugabe will das ungeduldige Publikum nicht einfordern.
Dann kommen die sechs Musiker von Sophia auf die Bühne und knüpfen zunächst gekonnt an die Leisstärke Middletons an. “I Left You” ist tatsächlich der Opener des Konzerts und ich könnte wohl einfach in Tränen ausbrechen, wenn nicht um mich herum weiter geredet und genervt würde. Tatsächlich unterbricht ein übel-gelaunter Robin den Song, um einigen Personen, die sich all zu nah an der Bühne unterhalten, ins Gewissen zu reden. Hier zeigt sich eine penible, perfektionistische Art, aber auch der Wunsch, den echten Fans ALLES zu bieten. Recht hat er und zieht auch bald weitere Register - musikalische. Denn die Band beherrscht den schwierigen Spagat zwischen zartem, stillen Raum und lärmenden, pathetischen Inferno gut. Nicht perfekt, wie mir das Keyboard, in eine sanfte Strophe brülllend, verrät, aber doch beeindruckend. Neuere Songs wie “Pace” und “Where Are You Know” gelingen ebenso gut wie ältere Lieder à la “Swept Back” und “If Only”. Ein “Oh My Love” dagegen kann leider überhaupt nicht überzeugen, irgendwie macht es da bei mir nicht “Klick” - vielleicht auch, weil Robin gerne mal die Stimmlage wechselt und so den von der Studio-Aufnahme bekannten Eindruck verwischt. Alles in Allem empfehle ich den Sophia-Anhängern unbedingt einen Konzertbesuch - wer nicht mal für ein Konzert ruhig stehen bleiben kann, soll lieber zuhause bleiben und Playstation spielen. Oder sonst was.
K. Haller, Magagin.de


Poster by Lars P. Krause